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Dr. Christian Temath: „KI ist da, um zu helfen“

Dr. Christian Temath ist Geschäftsführer der Kompetenzplattform KI.NRW und arbeitet am Fraunhofer IAIS in Sankt Augustin mit seinem Team daran, die Marke »KI made in NRW« zu etablieren und die technologische Souveränität des Landes NRW zu stärken. Sein Team aus KI-Manager:innen bündelt Wissen und Erfahrung aus den Bereichen Künstliche Intelligenz, Digitalisierung, Netzwerkarbeit und Beratung mit dem Ziel, Unternehmen, mittelständischen Firmen und Start-ups den Einstieg in die KI zu erleichtern. Ethische Aspekte spielen dabei eine zentrale Rolle: Damit Unternehmen ihre KI-Systeme vertrauenswürdig gestalten können, wird beispielsweise im KI.NRW-Flagship-Projekt „ZERTIFIZIERTE KI“ an Prüfverfahren für die Zertifizierung von Systemen der Künstlichen Intelligenz gearbeitet.

Am 14. September 2023 wird Dr. Christian Temath beim Digital Ethics Summit auf dem Event-Schiff MS RheinGalaxie in Düsseldorf auf der Bühne mitdiskutieren. Daher haben wir ihn interviewt:

Gefühlt ist Künstliche Intelligenz momentan in aller Munde. Wie hat sich in den letzten Monaten die Wahrnehmung gegenüber KI geändert?

Mit der Veröffentlichung des großen KI-Sprachmodells ChatGPT ist Künstliche Intelligenz in der Mitte der Gesellschaft angekommen, da es für alle Menschen leicht zugänglich und für individuelle Anfragen nutzbar ist. Seit Ende 2022 dürften neben der breiteren Öffentlichkeit auch Unternehmer:innen und Politiker:innen erkannt haben, welche Relevanz das Thema KI besitzt. Sie wollen wissen, welche Auswirkungen die neusten Entwicklungen auf die Gesellschaft und Wirtschaft haben und was getan werden muss, um technologisch am Ball zu bleiben und nicht den Anschluss zu verlieren. Eine wichtige Fragestellung in diesem Kontext ist auch, wie wir Herausforderungen von Künstlicher Intelligenz wie z. B. fehlende Faktentreue durch sinnvolle Regulierung und Zertifizierung in den Griff bekommen. Hier unterstützt KI.NRW mit seinen Aktivitäten und Angeboten.

Von der Nische zum Alltagstool für alle – was sind die größten Herausforderungen?  

Erfreulich an den Entwicklungen der letzten Monate ist, dass sich erstmals eine breitere Öffentlichkeit mit dem Thema KI beschäftigt. Oft ist den Menschen allerdings nicht klar, was Künstliche Intelligenz genau ist, wo die Chancen und Herausforderungen liegen, die für einen vertrauenswürdigen Einsatz von Künstlicher Intelligenz wichtig sind. Es herrscht noch ein hohes Maß an Mystifizierung und Unsicherheit. An dieser Stelle setzen wir mit KI.NRW an und wollen mit Aufklärungs- und Qualifizierungsangeboten Ängste nehmen und Debatten versachlichen. Privatpersonen erklären wir z. B. mit den KI.Welten spielerisch, wo Künstliche Intelligenz nützlich ist und uns bereits im Alltag begegnet. Unternehmen hingegen bieten wir kostenfreie KI-Beratungen – wie die KI.Sprechstunde und den KI.Kick-off –, Workshopformate wie den AI Design Sprint™ sowie Vor-Ort-Besuche in Form eines AI.Shadowings an, um über KI aufzuklären und konkrete Einsatzpotenziale zu identifizieren. Der Politik stehen wir von KI.NRW als neutrale Sachverständige zur Seite, speziell im Hinblick auf die Gestaltung von vertrauenswürdiger KI.

Stehen wir am Anfang einer KI-Revolution, sind wir gerade mittendrin und wird das Interesse wieder abflachen?  

Was wir insbesondere zu Beginn dieses Jahres mit ChatGPT erlebt haben, ließ häufig die Frage aufkommen, ob wir es hier mit dem „iPhone-Moment der KI“ zu tun haben. Diese Frage ist aus heutiger Sicht schwierig zu beantworten. Das wird die Zeit zeigen. Allerdings gab es auch schon vor ChatGPT KI-Tools, die ähnliche Fähigkeiten besaßen – wie z. B. Texte zusammenfassen oder einen Software-Code schreiben. Gleichzeitig hat der Launch von ChatGPT Ende 2022 dem Thema KI weltweit eine enorme Schubkraft verliehen. Und selbst ein gutes halbes Jahr später ist das Interesse an Künstlicher Intelligenz weiterhin sehr groß – ob es nun der iPhone-Moment der KI war oder nicht. Aus meiner Sicht ist eines klar: KI ist da, um zu bleiben. Und das ist auch wichtig, wenn wir Herausforderungen wie den Fachkräftemangel und die Erreichung von Nachhaltigkeitszielen meistern wollen.

Denn KI ist da, um zu helfen – da bin ich fest von überzeugt. Lassen Sie mich ein Beispiel nennen: Insbesondere mit dem Thema Nachhaltigkeit haben wir uns in den letzten Jahren intensiv beschäftigt. Beispielsweise im Gebäude-Energiemanagement – das betrifft u. a. Lüftungs- und Heizungseinstellungen – lassen sich mit einer KI zwischen 10 und 20 Prozent Energie einsparen. Ähnliche Unterstützung hin zu mehr Nachhaltigkeit leistet Künstliche Intelligenz beim Ressourcenverbrauch oder bei der Produktion von Lebensmitteln. Wenn etwa Bäckereien zu viele Backwaren produzieren, werden diese am Ende des Tages weggeworfen. Das lässt sich durch bessere Prognosen mittels KI vermeiden.

Ein Blick in die Glaskugel. Wie geht die Entwicklung in den nächsten 1 bis 3 Jahren weiter?

In den nächsten Jahren wird meines Erachtens viel Dynamik in der Entwicklung von großen KI-Modellen sein und hierbei insbesondere bei Anwendungen, die auf diesen Modellen basieren. Für viele Arbeits- und Lebensbereiche werden neue KI-Tools zur Verfügung stehen, die auf generativer KI basieren und uns assistieren. Ein Beispiel – was bereits als Beta-Version existiert – ist, dass man Vertragstexte in eine KI-Anwendung laden und Fragen dazu stellen kann, die die Künstliche Intelligenz beantwortet. Das bedeutet, dass der Zugang zu Informationen und auch deren Verarbeitung signifikant erleichtert wird. Ich gehe auch davon aus, dass hauptsächlich repetitive, administrative Prozesse künftig in großen Teilen durch eine KI unterstützt werden, beispielsweise in der Verwaltung, bei freien Berufen oder im medizinischen Bereich – etwa bei der Erstellung von Arzt- und Entlassungsbriefen. Vor diesem Hintergrund werden wir uns gleichzeitig sehr intensiv mit der Frage beschäftigen, welche Tätigkeiten eine KI übernehmen sollte und bei welchen Tätigkeiten wir einer KI nicht das Feld überlassen. Dieser Diskurs wird meines Erachtens in den nächsten Jahren auf vielen Ebenen stattfinden und das wird auch wichtig sein, damit wir für uns als Gesellschaft einen Konsens entwickeln, was eine KI darf und was nicht und wie wir für uns eine vertrauenswürdige KI definieren. So werden wir hoffentlich KI zu unserem Volkssport machen, bei dem wir die Chancen der KI für uns nutzbar machen und der Mensch im Mittelpunkt einer vertrauenswürdigen KI steht.

Wieso sollte niemand den Digital Ethics Summit verpassen?

Das Event in Düsseldorf verspricht einen gewinnbringenden Austausch mit anderen Expert:innen. Während in vielen Zusammenhängen Debatten über technologische Entwicklungen, die Finanzierung von Start-ups und Datenschutz geführt werden, kommen Fragen nach den richtigen Wertvorstellungen im digitalen Zeitalter oft zu kurz. Dafür nehmen wir uns am 14. September ausreichend Zeit!

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